Gegen sexuellen Missbrauch: Jugendamt bietet Fortbildungen für alle Grundschul-Lehrkräfte in SÜW sowie Angebote für Kinder und Eltern

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Erschreckend: Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass in jeder Schulklasse ein bis zwei Kinder sitzen, die schon einmal sexualisierte Gewalt erfahren haben.

Das Jugendamt Südliche Weinstraße hat vor einiger Zeit ein breit angelegtes Präventionsprojekt gestartet, um Kinder und Jugendliche im Landkreis davor zu schützen. Das soll auf mehreren Ebenen stattfinden und sowohl Kinder wie auch Lehrerinnen und Lehrer sowie Eltern an der Südlichen Weinstraße mit einbeziehen.

Das Jugendamt bietet seit 2022 in Kooperation mit dem Kinderschutzbund Landau-SÜW und der Schulsozialarbeit im Landkreis flächendeckend für alle Grundschulen in SÜW Lehrkräfte-Fortbildungen und Präventionsangebote für die Grundschulkinder an.

Auch Elternabende gehören zu dem Programm im Rahmen des breit angelegten Präventionsprojekts. „Die Grundschulen erreichen die Kinder an dem Ort, wo sie viele Stunden am Tag verbringen.

Hier sollten sie geschützt sein, sich sicher fühlen und im Bedarfsfall unkompliziert kompetente Hilfe und Beratung bekommen können“, betont der fürs Jugendamt zuständige Erste Kreisbeigeordnete Georg Kern. Er war selbst unlängst bei einer der Fortbildungen anwesend, an der Grundschule in Annweiler am Trifels. Gemeinsam mit Markus Bohlender von der Stiftung der VR Bank Südpfalz, die das Projekt in diesem Jahr im Rahmen des Jugendaktionsbündnisses unterstützt, hat er sich einen persönlichen Eindruck vom Programm verschafft sowie mit Lehrkräften und der Referentin ausgetauscht.

Signale erkennen, Missbrauch beenden Im ersten Schritt geht es darum, Missbrauch erkennen und beenden zu können. Viele Erwachsene, auch Lehrkräfte, sind auf das Thema sexuelle Gewalt nicht vorbereitet, übersehen die Signale betroffener Kinder oder sind unsicher, was zu tun ist, wenn sie Missbrauch vermuten.

Häufig wird dann aus der Angst heraus, etwas falsch zu machen, nichts unternommen, in der Hoffnung, dass andere aktiv werden. Um dem entgegenzuwirken, bietet Anja Ziebler-Kühn vom Kinderschutzbund Landau-Südliche Weinstraße eine für die Teilnehmenden kostenlose Fortbildung für das pädagogische Personal der Grundschulen an. Die Eltern werden jeweils bei einem von ihr ausgerichteten Elternabend über die Inhalte des Projektes informiert und erhalten grundlegende Informationen zum Thema.

Für die Schülerinnen und Schüler, in der Regel ab der 3. Klasse, gibt es Präventionsangebote von Teams bestehend aus der Klassenlehrkraft und dem für die Schule zuständigen Schulsozialarbeiter beziehungsweise der für die Schule zuständigen Schulsozialarbeiterin.

Altersentsprechend und sensibel geht es bei diesen Angeboten für die Kinder darum, was okay und was nicht okay ist, wie man als Kind sagen kann, was man nicht möchte, oder dass die eigenen Gefühle wichtig sind.

Das schon seit Jahren sehr gut etablierte Präventionsprojekt „Gemeinsam achtsam“ der Schulsozialarbeit wurde dazu um einen Baustein ergänzt, der Prävention gegen sexuelle Gewalt von Kindern beinhaltet, in einer Weise, die die Kinder stärken und schützen soll.

Hintergrund: Das Präventionsprojekt des Jugendamts SÜW
Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche verhindern, aufdecken und bearbeiten ist ein wesentlicher Teil der Kinderschutzarbeit in den Jugendämtern. Das Kreisjugendamt SÜW arbeitet auf diesem Feld bereits seit Jahren mit dem Kinderschutzdienst des Kinderschutzbundes Landau-SÜW zusammen.

Ein breit angelegtes Präventionsprogramm soll alle Ebenen erreichen, um frühzeitig zu sensibilisieren und Erwachsene zu befähigen, Hinweise von Kindern entsprechend wahrzunehmen sowie geeignete Maßnahmen einleiten zu können.

Vor etwa zwei Jahren startete das Präventionsprogramm in SÜW mit der interaktiven Wanderausstellung „ECHT KLASSE – Spielstationen zum Starksein“. Beim Start des Projekts hob Landrat Dietmar Seefeldt hervor: „Auch wir an der Südlichen Weinstraße bleiben nicht verschont von Fällen sexualisierter Gewalt. Hinter der Fassade unserer idyllischen Dörfer erfahren Kinder furchtbare Gewalt.

Wir gehen daher mit diesem Programm des Jugendamts sehr grundsätzlich die Prävention an.“

Hannelore Schlageter, Leiterin des Jugendamts Südliche Weinstraße, berichtete damals, dass das Jugendamt im Kreis beim Kinderschutz sehr gut aufgestellt und vorbereitet sei. Wesentlich, um Kinder vor sexualisiert Gewalt zu schützen, sei die Haltung von Staat und Gesellschaft sowie der öffentliche Umgang mit dem Thema sexualisierte Gewalt.

Niemand beschäftige sich gern damit, aber die Tabus seien nicht mehr so stark wie früher: „Zu hören oder zu sehen, wie sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ausgeübt wird, stellt eine Herausforderung dar. Es sind ekelhafte und verstörende Dinge. Aber es nützt den Kindern nichts, wenn man wegsieht und weghört.“ Täterinnen und Täter gebe es in allen gesellschaftlichen Schichten.

„Das Motiv ist meist die Ausübung von Macht gegenüber anderen. Noch etwas lässt sich allgemein sagen: Täterinnen und Täter gehen strategisch vor, planen genau und bauen massiven Druck auf Opfer und Umwelt auf“, so Schlageter. Es gelte, besonnen und gemeinsam zu reagieren.

Anja Ziebler-Kühn erläuterte zum Projektstart die fachlichen Hintergründe des Präventionsprogramms. Einerseits gehe es um die sogenannte sekundäre Prävention: „Fachkräfte sollen Missbrauch erkennen können.

Im Schnitt vertraut sich ein Kind sechs bis sieben Mal Erwachsenen an, bis es gehört wird!“ Hellhörig könnten auch Verhaltensänderungen machen. Das frühere Paradigma, nicht „mit dem fremden Mann mitzugehen“, sei inzwischen überholt, da wenig wirksam. Die Gefahr gehe in der Regel nicht von Fremden aus, sondern befinde sich im direkten Umfeld der Kinder.

Andererseits gehe es, so Ziebler-Kühn, insbesondere auch um primäre Prävention: den sexuellen Missbrauch zu verhindern. „Starke Kinder sind nicht so angreifbar, sie sind aufgeklärt, haben Wissen und holen sich Hilfe.“

Text und Bild: Kreisverwaltung Südliche Weinstraße

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